segunda-feira, 6 de abril de 2020

Ökosystemische Diskursanalyse




ÖKOSYSTEMISCHE DISKURSANALYSE

 Hildo Honório do Couto, Universität Brasília


1. Einführung

Die Ökologische Diskursanalyse (nachfolgend ÖDA) entstand im Kontext der Ökosystemischen Linguistik, die eine Variante der in Brasilien praktizierten Ökolinguistik darstellt. Es scheint daher geboten, die Konzeption dieser Disziplinen erklärend an den Anfang zu stellen. Das Forschungsfeld der Ökolinguistik wird ganz allgemein als die Untersuchung der Beziehung zwischen der Sprache und der Umwelt definiert. Diese Definition hat zu einer Reihe von Missverständnissen geführt, wie z. B. dem, dass die Sprache eine “Sache” wäre, die mit etwas anderem  (ihrer Umgebung) in Zusammenhang stehe. Damit wäre dieser Forschungsbereich dann als die Untersuchung der Beziehung zwischen den Menschen und der Umwelt, innerhalb derer sie die Sprache benutzen, zu definieren. Wir werden jedoch sehen, dass die Ökosystemische Linguistik das Konzept der Ökolinguistik anders fasst, dass sie vom zentralen Konzept der Ökologie, dem Ökosystem ausgeht, eine Tatsache, die bereits im Namen ihren Niederschlag findet und die im folgenden ausführlicher erörtert wird.

Als integraler Bestandteil der Ökosystemischen Linguistik wurde die ÖDA ursprünglich als Kritische Ökosystemische Linguistik (KÖL) bezeichnet, Bezug nehmend sowohl auf die Kritische Ökolinguistik als auch auf die Kritische Diskursanalyse. Soweit es sich derzeit zurückverfolgen lässt, wurde der Begriff “Ökologische Diskursanalyse” in der Publikation von Couto (2013) benutzt. In einer Veröffentlichung von 2014 verwenden ihn auch Richard Alexander und Arran Stibbe, wenn auch nicht in dem Sinne, in dem er in der vorliegenden Arbeit verwandt wird (Alexander & Stibbe 2014). Einige Jahre zuvor jedoch taucht bereits bei Bednarek & Caple (2009) der Ausdruck “ecolinguistic discourse analysis” auf, inklusive des Akronyms EDA, also der Abkürzung der englischen Bezeichnung. Dieser Artikel nimmt zudem Bezug auf einen Großteil der Forschungsliteratur, die auch die Basis der ÖDA bildet.
Die ÖDA ist der jüngste Ableger der Ökolinguistik und deren Forschungszweig der Ökosystemischen Linguistik, wobei an den bereits angeführten bibliographischen Referenzen ablesbar ist, dass es sich bei den beiden lezteren Bereichen auch um relativ neue Forschungsfelder handelt. In Brasilien gibt es jedoch bereits eine Monographie (Couto, Couto & Borges 2015) sowie eine ganze Reihe von Zeitschriftenartikeln und Buchkapiteln, die sich ausschließlich diesem Thema widmen. Darüber hinaus dient sie einer zunehmenden Anzahl von wissenschaftlichen Arbeiten (Dissertationen etc.) als theoretischer Rahmen.

Der vorliegende Artikel hat, inklusive dieser kurzen Einleitung und den Schlussfolgerungen, sechs Kapitel. In Abschnitt 2 wird ein kurzer Überblick über die Ökosystemische Linguistik gegeben, da alle ihre Konzepte auch in der ÖDA verwendet werden können. Abschnitt 3 ist der wichtigste Teil der vorliegenden Abhandlung, da hier die Grundlagen der ÖDA detailliert dargestellt und erläutert werden. In Kapitel 4 werden einige der wichtigsten Analysekategorien der ÖDA und deren jeweiligen ökologischen Grundlagen vorgestellt. Im fünften Teil wird gezeigt, dass die ÖDA nicht auf die Analyse von ökologischen, antiökologischen oder pseudoökologischen Texten beschränkt ist, sondern dass sie auf jede Art von Text angewandt werden kann, wie z. B. Syllogismen, die ja eine abstraktesten Textsorten darstellen. Dies liegt an der grundsätzlich holistischen Herangehensweise der Ökosystemischen Linguistik, wobei natürlich eingeräumt werden muss, dass jeder Forscher nur einen beschränkten Bereich bearbeiten kann. In Kapitel 6 werden schließlich einige Schlussfolgerungen und Ausblicke für weitere Forschungen vorgestellt.



2. Ökosystemische Linguistik

Da die ÖDA Teil der Ökosystemischen Linguistik (ÖL) ist, ist es notwendig, die letztere relativ ausführlich vorzustellen, schon allein deshalb, weil, wie bereits oben angedeutet wurde, alle Kategorien der ÖL auch Kategorien der ÖDA sind. In Anlehnung an Autoren wie Haugen (1972), Finke (1996) und Trampe (1996, 2016), um nur einige zu nennen, entstand eine Variante der Ökolinguistik, die sich in zweierlei Hinsicht radikal auf die Ökologie bezieht. Erstens, weil sie von dem zentralen Konzept dieser biologischen Disziplin, dem Ökosystem, daher der Name Ökosystemische Lingustik, ausgeht. Zweitens, weil die ÖL sich nicht einfach nur Konzepte der biologischen Ökologie aneignet und diese in sprachanalytischen Untersuchungen anwendet. Sie ist vielmehr Teil der Makroökologie und als solche mit der biologischen Ökologie auf einer Ebene angesiedelt, was zu der alternativen Bezeichnung Sprachökologie geführt hat. Zudem sind die zentralen Konzepte wie Population, Territorium und Interaktion mit denen der biologischen Ökologie identisch.

Tatsache ist, dass, wie durch das Element “öko” bereits angedeutet wird, die Ökolinguistik eine ökologische Disziplin sein soll, auch im wörtlichen Sinne. Wenn es sich also um eine ökologische Disziplin handelt, sollte ihre Charakterisierung mithilfe der zentralen Begriffe der Makroökologie vorgenommen werden, von denen zweifelsohne dem Begriff des Ökosystems eine herausragende Bedeutung zukommt. In der biologischen Ökologie wird darunter die Gesamtheit einer Population (P) von lebenden Organismen, ihre Umwelt, Habitat, Biotop oder Territorium (T) sowie die Interaktion (I) die sowohl zwischen den Organismen mit ihrer Umwelt stattfindet als auch die zwischen den Organismen selbst verstanden. In der Sprachökologie, wird die Population (P) von den Mitgliedern einer bestimmten Sprachgemeinschaft gebildet, die (physische) Umwelt ist das Territorium (T) und Interaktion ist die Sprache (S). Die Gesamtheit von Menschen, Sprache und Territorium ist das linguistische Ökosystem innerhalb dessen PT die Umwelt der Sprache bildet. In dieser allgemeinen Form lässt sich also sagen, dass sowohl das linguistische Ökosystem als auch die in seinem Zentrum befindliche Umwelt der Sprache natürlich, mental oder sozial sein können. Es wird im weiteren Verlauf gezeigt werden, dass das in dieser allgemeine Form aufgefasste Ökosystem insofern integral genannt werden kann, als es alle anderen mit einschließt.

Geht man nun davon aus, dass sich die Sprache durch die Interaktion, die innerhalb des linguistischen Ökosystem stattfindet, konstitutiert, dann ist es notwendig, dieses Konzept im Detail zu erörtern, denn es existieren genau genommen vier linguistische Ökosysteme. Das erste ist das natürliche Ökosystem der Sprache. Eine bestimmte ethnisch determinierte Gruppe, z. B. die Kamayura im Xingu-Reservat in Brasilien kann als Population (P1) aufgefasst werden, der von ihnen bewohnte Teil des Reservats als das Territorium (T1) und der natürliche Teil ihres traditionellen Kommunikationsmediums, ihre Sprache, nämlich das Kamayura, als (L1). Innerhalb dieses Ökosystems bilden P1T1 die natürliche Umwelt des Kamayura. Sprache ist jedoch auch ein psycho-physisches Phänomen, das hier als (L2) bezeichnet wird, und als solches wird es in den Köpfen der Sprecher gespeichert und verarbeitet und bildet somit das mentale Ökosystem der Sprache, wobei das Gehirn als Ort der mentalen Interaktion der Sprache, der locus, also das “Territorium” (T2) ist. Die Interaktion selbst, eben jene neuronalen Verbindungen, die gemeinhin Geist genannt werden, sind nichts anderes als das arbeitende Gehirn, ein kreatürlicher und aktiver Aspekt, und können dementsprechend als Population (P2) interpretiert werden. Das heißt also, dass das Gehirn und der Geist zusammen (P2T2), die geistige Umwelt der Sprache bilden. Für den Laien ist die Sprache im Grunde ein soziales Phänomen (L3). Ökolinguistisch gesehen ist das soziale Ökosystem der Sprache aber nur eines von vieren. Es besteht aus einem Kollektiv von Individuen als sozialen Wesen (P3). Der soziale Verband, den diese Individuen bilden ist der Ort (Gesellschaft), das Territorium (T3), der sozialen Interaktion zwischen den Individuen. Die Gesellschaft und die Kollektivität (P3T3) bilden somit die soziale Umwelt der Sprache.

Diese drei Ökosysteme konvergieren im integralen Ökosystem der Sprache, das auch als das fundamentale Ökosystem Sprache bezeichnet wird. Für den Laien ist es jedoch einfach (Sprach)Gemeinschaft. Es ist insofern integral und grundlegend, als es die drei anderen Systeme umfasst und es ist auch der Ort, an welchem die grundlegenden Fragen hinsichtlich der Sprache gestellt werden. Eine dieser Fragen, die erste, die von Laien immer dann gestellt wird, wenn sie zum ersten Mal den Namen einer Sprache (L) hören, ist die nach der Sprechergemeinschaft, der Nation bzw. Population (P), die diese Sprache spricht und die zweite Frage ist, nach dem Territorium (T), also wo die Sprecher geografisch zu verorten sind. Daraus ergibt sich, dass die integrale Umwelt der Sprache PT ist. Dieses Ökosystem kann als Gemeinschaft der Sprache und als Gemeinschaft des Sprechens aufgefasst werden. Vom Aspekt der Sprachgemeinschaft aus betrachtet steht der Systemcharakter der Sprache im Vordergrund, also im weitesten Sinne das saussursche Konzept der langue.

Die Perspektive der Gemeinschaft des Sprechens, oder Sprechgemeinschaft (auch Interaktionsgemeinschaft bzw. Kommunikationsgemeinschaft) betont die Interaktion, also die parole. Die Sprechgemeinschaft ist das sprachliche Ökosystem par excellence, in dem Sinne, in dem es durch den Betrachter definiert wird. So kann es Europa als Ganzes (die Ökologie der europäischen Sprachen) sein, aber auch nur Deutschland, Bayern, München, ein Stadtteil von München, oder auch nur eine Familie in diesem Stadtteil. Im letzteren Fall würde ein Linguist diese Familie untersuchen, um deren kommunikative Interaktiosmuster zu erheben.

Fassen wir, in Anlehnung an Maturanas und Varelas “Baum des Wissens” die Sprache als einen “Baum” auf, würde der Stamm von der Ökologie der kommunikative Interaktion gebildet. Er besteht aus einem Sprecher, der sich als ICH definiert und einen Hörer, den der Sprecher DU nennt. Das, was oder worüber er spricht, und/oder was ICH zugeeignet ist, ist ER1/SIE1/ES1. Das, was DU zugeeignet ist oder sich darauf bezieht, ist ER2/SIE2/ES2. ER1/SIE1/ES1 und ER2/SIE2/ES2 konstituieren das SIE. In der konkreten Interaktion nimmt dieses SIE die Form von Nomen wie Baum, Wolke, Person, Verfassung, Computer etc. an. Man könnte also sagen, dass alle Nomen (Namen) erst in der kommunikativen Interaktion als solcher in Erscheinung treten und durch  Pronomina substituiert werden, eine Perspektive, die im Gegensatz zur Auffassung der  traditionellen Grammatik steht. Auch die anderen Wortarten haben ihren Ursprung in eben dieser kommunikativen Interaktion, da diese Aktionen (Verben), Attribute (Adjektive), Partikeln, die Wörter (Präpositionen) oder Sätze (Konjunktionen) miteinander verbinden, usw. enhält. Mit anderen Worten, das gesamte Vokabular einer Sprache hat seinen Ursprung dort.

Es gibt natürlich auch andere als die oben beschriebenene Kombinationsmöglichkeit der Teilnehmer der Ökologie der kommunikativen Interaktion, deren Anwendung von Sprache zu Sprache variiert. Tupi und Guarani z. B. unterscheiden zwischen ICH + ER1/SIE1/ES1 und ICH + DU. Die erste Kombination ist das exklusive WIR, oré, die zweite das inklusive WIR, jandé. Andere Sprachen, wie das englisch basierte Tok Pisin in Papua Neuguinea nehmen andere Unterscheidungen vor. Sprachliche Interkation besteht jedoch im Wesentlichen aus einer Reihe von Interaktionsregeln wie sie von Couto & Couto (2013) formuliert wurden. Diese Interaktionsregeln umfassen die systemischen Regeln, deren Existenz auch im Dienste der Effizienz der kommunikativen Interaktion steht. Diese Sichtweise befindet sich in einem diametralen Gegensatz zu der des Strukturalismus im weitesten Sinne, für den die Sprache sich mehr oder weniger auf Grammatik beschränkt. Vom Standpunkt der Ökolinguistik aus gesehen sind jedoch die systemischen Regeln unterstützende Elemente der Interaktionsregeln und dementsprechend auch interaktional. Darüber hinaus entwickelt die Ökologie der kommunikative Interaktion auch ein Szenario, in dem sich das Drama der Akte der kommunikative Interaktion entfaltet. Es sind die Handlungen innerhalb der kommunikativen Interaktion, die den Ursprung der Sprache bilden, ontogenetisch und phylogenetisch. Aus diesem Grunde sind Bedeutungen kontextuell, sie erwachsen aus der Ökologie spezifischer kommunikativer Interaktionen. In diesem Sinne kann nichts von dem, was für Sprecher und Hörer “normal” ist als “falsch” bezeichnet werden, wie schon Makkai (1993) hervorgehoben hat.



3. Die Kritische Ökosystemische Linguistik

Die Vorsilbe “öko” bedeutet “Haus” und demnach sollte die Ökolinguistik jeden “Raum” im Haus der Sprache in ihr Forschungsinteresse einschließen. Dieser umfassende und holistische  Skopus bedingt, dass nichts was irgendwie in Bezug zur Sprache steht, ihr fremd ist. Von daher ist es auch ihr Geschäft, Diskurse und Texte zu untersuchen, eine Aufgabe, die sie vermittels der Kritischen Ökosystemischen Linguistik (bzw. Ökologische Diskursanalyse) wahrnimmt. Man könnte fragen, was ist in der Herangehensweise der Kritischen Ökosystemischen Linguistik anders ist, das heißt, welche Aufgaben nimmt sie wahr, die nicht auch mithilfe einer der traditionellen Versionen der Diskursanalyse oder durch die Kritische Ökolinguistik bewältigt werden könnten? In der Tat lässt sich sagen, dass die Analysen der Kritischen Ökolinguistik, die sich fast ausschließlich Fragen der Umwelt widmen – man könnte sie von daher auch “Umweltlinguistik” nennen – mithilfe einer der Versionen der Diskursanalyse vorgenommen werden könnten.

Es gibt zahlreiche Studien im Zusammenhang mit diesen und anderen Disziplinen, in denen die Umweltprobleme angegangen werden. Ein Großteil der Ökolinguisten hat sich dieser Art von Studien verschrieben, wie die einschlägigen Veröffentlichungen und die Themenstellungen ökolinguistischer Kongresse zeigen. Selbst Wissenschaftler aus anderen Bereichen haben sich die “ökologische Diskursanalyse” angeeigent. Was die ÖDA vorschschlägt ist etwas anderes. Ihr Ziel ist nicht nur die Untersuchung ökologischer, antiökologischer oder pseudoökologischer Diskurse, sondern vielmehr die ökologische Analyse von Diskursen. Als Teil der Ökosystemischen Linguistik ist sie eine Disziplin der Ökologie, die Phänomene der Sprache untersucht, nicht nur eine Disziplin der Sprachwissenschaft, die Studien über ökologische Phänomene oder Umweltfragen macht. In dieser Hinsicht erinnert sie sehr an den Vorschlag der Ökosprache von Matos (Matos et al. 2014) und auch im Kontext der kritischen Diskursanalyse (KDA) gibt es einige Ansätze, die in Richtung der ÖDA gehen, insbesondere die Positive Diskursanalyse.

Die traditionelle Diskursanalyse, sowohl die, die sich an Pêcheux anlehnt als auch die, die der angelsächsischen Linie folgt, betont vor allem die Ideologie und die Machtverhältnisse. Dies ist sehr wichtig, aber es handelt sich in diesem Falle um die marxistische Ideologie. Bei Pêcheux und seinen Anhängern ist diese Ideologie durch die Arbeit von Louis Althusser gefiltert und kann von daher als radikal marxistisch angesehen werden. Die angelsächsische Linie folgt einem weniger radikalen Marxismus und steht in der Tradition  von Gramsci und der Frankfurter Schule, aber es handelt sich dessen ungeachtet um eine marxistischen Ideologie. Nun hat die marxistische Ideologie aber mindestens drei Eigenschaften, die in einer ökologischen Weltsicht inakzeptabel sind. Die erste ist die Betonung des Konflikts, vor allem des Konflikts zwischen “herrschender Klasse” und “dominierter Klasse”. Wissenschaftler, die im Bereich der ÖDA arbeiten, bevorzugen jedoch eine ökologische Weltsicht in deren Rahmen östliche Philosophien, wie Hinduismus, Buddhismus und Taoismus (Couto 2012) angemessener erscheinen. Im Falle von polaren Begriffen wie gut-schlecht, groß-klein, dunkel-hell usw. ist die Perspektive eine der Ideologie des Konflikts, eine antagonistische, eine des Gegeneinander, des Entweder-Oder. In der östlichen Sichtweise werden diese Konzepte als eher komplementär aufgefasst. Ein “Gut” kann nur in Beziehung auf ein “Schlecht” existieren, das Große nur in Bezug auf das Kleine, das Helle nur in Relation zum Dunklen. Diese Philosophie betont also die Harmonie und alles, was damit zusammenhängt und nicht den Gegensatz der Ideologien.

Das zweite Merkmal des Marxismus, das die ÖDA nicht akzeptiert, ist der Anthropozentrismus, der bei Marx unter dem Deckmantel des Humanismus auftritt. Wenn der Mensch die “Krone der Schöpfung” ist, dann hat alles andere nur die Aufgabe, ihm zu dienen, d.h. er kann sich des Rests der Schöpfung bedienen, ihn nach Belieben gebrauchen und missbrauchen. Diese Ideologie führt uns aber in eine Sackgasse, denn diese selbstmörderische Haltung zerstört die Grundlage allen Lebens auf der Erde. Die ÖDA folgt hier der Tiefenökologie (Naess 1973, 1989, 2002; Couto 2012: 49-67) und verteidigt die Selbstverwirklichung alles Lebenden. Die Menschen haben nicht mehr Recht auf Leben als andere Lebewesen. Wenn letztere aussterben, gehen die ersteren auch zugrunde.

Das dritte Merkmal des Marxismus, das dem Ansatz der ÖDA zuwider läuft, ist die Verteidigung der Diktatur des Proletariats. Nahezu jedes Land, das sich einer vorgeblich marxistischen Ideologie verschrieb, endete mit einem diktatorischen Regime, für das das Proletariat letztendlich keine Rolle mehr spielte. In der Tat sind alle sogenannten “marxistischen” Regierugen erbliche Diktaturen, was unter anderem auch die steinzeitlichen Regime in Nordkorea und Kuba zeigen. Wenn jedoch, wie oft gesagt wird, Ideologien unvermeidlich sind, dann lässt sich für die ÖDA festhalten, dass deren Ideologie die Ideologie des Lebens, die ökologische Ideologie, die Ökoideologie oder auch die Bioideologie ist, d. h. jene, die kompromisslos das Leben und den Kampf gegen das Leiden verteidigt.

Im Gegensatz zur traditionellen Diskursanalyse legt die ÖDA den Schwerpunkt auf die Bewahrung des Lebens auf der Erde und auf den Kampf gegen alles, was Leiden hervorrufen könnte. Es stimmt, dass Leid und Schmerz ein Schutz der Lebewesen gegen den Tod sind. Gäbe es keine Schmerzen und Leiden, würden sie nichts gegen die Verstümmelung des eigenen Körpers unternehmen. Daher wird jedes Lebewesen immer nach Wohlbefinden oder, in der Terminologie der Tiefenökologie, Selbstverwirklichung, streben. Diese Selbstverwirklichung ist aber nicht mehr und nicht weniger als das, was gemeinhin Glück und Zufriedenheit genannt wird. Der Tod existiert um den Fortbestand des Lebens zu gewährleisten in dem Sinne, dass die Natur die Materie des einen Lebewesens zum Nutzen des anderen wiederverwendet. Doch zumindest in Situationen, in denen Schmerzen, Leiden und Tod vermieden werden können, sollten wir versuchen sie zu vermeiden.

In Übereinstimmung mit den Kategorien der Ökosystemischen Linguistik lassen sich folgende Unterscheidungen treffen: Menschen  teilen mit den Tieren eine natürliche Dimension, darüber hinaus haben sie aber eine Seelenleben, die mentale Dimension und sie leben in sozialen Verbänden, die soziale Dimension. Dementsprechend muss zwischen körperlichem (natürlichem), psychischem und sozialem Leiden unterschieden werden. Körperliches Leiden ist die Folge von Verletzungen, Verstümmelungen und ganz allgemein physischen Agressionen. Alles körperliche Leiden ist eine Bewegung in Richtung auf den Tod, der das maximale körperliche Leiden ist. Die Suche nach Selbstverwirklichung ist eine Aktivität, Leiden zu vermeiden oder sich ihm entgegenzustellen. Es ist jedoch klar, dass es Grade des Leidens gibt. Gekniffen zu werden (physisch) wird meist als sehr viel weniger intensives Leiden empfunden als eine psychische Folter. Beschimpfungen, Belästigungen, Verunglimpfungen und Demoralisierung innerhalb des sozialen Gefüges sind auch ein viel soziale Leiden als der Schmerz, der durch Kneifen hervorgerufen wird.

Wenn ein Forscher im Bereich der ÖDA einen Diskurs anaysiert, dessen Thema Frauen sind, die jeden Tage von ihren betrunkenen Männern geschlagen werden (manchmal auch mit Todesfolge) wird sie nicht als Frauen verteidigen und den Tatbestand als machistischen Akt interpretieren, wie es die feministische Ideologie täte, sondern er wird sie als leidende menschliche Wesen verteidigen. Ihre Verteidung geschieht also in einem sehr viel weiteren Rahmen als dem des gerechten Kampfes der Feministinnen gegen den Machismo, der z. B. in der willkommenen Lex Maria da Penha (Lei Maria da Penha) seinen Niederschlag findet. Feminismus und Öko-Feminismus behandeln Frauenfragen aus der Perspektive des Konflikts (Ideologie, Marxismus) und der Konfrontation, während die Perspkektive der ÖDA die des Ausgleichs und der Harmonie ist.

Dementsprechend wird die Frau aus der Sicht der ÖDA nicht als Gegnerin des Mannes betrachtet. Dieses Prinzip gilt auch für alle Erscheinungsformen von Rassismus, Homophobie, Ethnozentrismus usw. Bestimmte traditionelle Praktiken wie z.B. die Behandlung, die Frauen in einigen muslimischen Ländern erfahren, darunter auch die Entfernung der Klitoris oder Kindestötung bei einigen amerikanischen Ethnien und anderen Gruppen, stellen uns vor ein Dilemma: Stellen wir uns auf die Seite des Lebens oder auf die der tief verwurzelten kulturellen Traditionen? Die Position der ÖDA ist hier sehr klar: Sie steht fest auf der Seite des Lebens, gegen das Leiden, denn kulturelle Traditionen sind Veränderungen unterworfen, aber der Tod ist unumkehrbar.

Allerdings muss man bedenken, dass die ÖDA nur ganz allgemeine Linien vorgibt, auf deren Grundlage spezielle Fälle beurteilt werden können. In der Tat ist jeder Fall unterschiedlich und muss in seinem jeweiligen Kontext evaluiert werden, aber die bereits erwähnten generellen Linien dienen immer als Hintergrund der Beurteilung. Wie behandelt man z.B. das Leiden eines Kindes, das für das Allgemeinwohl einer sozialen Gruppe geopfert wird, wenn die Tradition es so will? Im Prinzip würde sich die ÖDA für die Erhaltung des Lebens entscheiden, obwohl sie es im Falle von isolierten ethnischen Gruppen vorzieht, diese ihre Sitten ungestört ausüben zu lassen. Wenn es sich jedoch um akkulturierte Gruppen handelt, wird empfohlen, wann immer möglich zu intervenieren um das Leben zu erhalten. Erinnern wir uns daran, dass Arne Naess explizit sagt, dass die Tiefenökologie einen normativen Charakter hat.

Naturgemäß ist die Ökologie, deren Geschichte hier nicht weiter behandelt werden soll, da dies bereits in einer großen Anzahl von ökolinguistischen und ökologischen Publikationen geschehen ist, die Hauptquelle der Inspiration für die ÖDA und es ist kaum verwunderlich, dass seit geraumer Zeit verstärkt ökologische Ansätze in die Humanwissenschaften wie z. B. die Soziologie, die Anthropologie und die Philosophie Eingang gefunden haben. Dies resultierte in einer ökologischen Weltsicht (vgl. Capra 1992). Aber auch die Soziale Ökologie (Bookchin 2009) hat die ÖDA beeinflusst. Ihre Grundannahme ist, dass die Menschen trotz des Überlegenheitsgefühls, das sie aufgrund ihrer Kultur gegenüber anderen Spezies haben, letztendlich Produkte der Natur sind. Dementsprechend muss die Mentalität der Herrschaft über andere Wesen durch die der Komplementarität mit ihnen ersetzt werden. Dies sollte zu einer Haltung der Demut, nicht Arroganz führen, durchaus unter Beachtung der Spiritualität des Menschen, jedoch nicht im Sinne der Religionen, die ihrerseits ja ein höheres Wesen kreiren, das die Menschen beherrscht.

Die Richtung der Philosophie, die einen Großteil der zentralen Begriffe der ÖDA bereitgestellt hat, ist die Tiefenökologie, die von dem norwegischen Philosophen Arne Naess (1912-2009) entwickelt wurde. Ausgehend von Baruch Spinozas Ideen, des Taoismus und dem beispielhafen Leben von Gandhi formulierte er eine Ökophilosophie (Ökosophie), die das Recht auf Leben aller Wesen verteidigt. Der Mensch hat kein Recht sich ihrer nach Gutdünken zu bedienen oder sie sogar zu missbrauchen, denn alle Lebewesen sind beständig auf der Suche nach Selbstverwirklichung, d.h nach Wohlergehen und Glück. Für diese Philosophie ist alles falsch, was Leiden mit sich bringt. Alles das, was kein Leid mit sich bringt, kann grundsätzlich als richtig eingestuft werden, wie Aldo Leopold sagte. Sie fordert etwas, das sie „Vorschriften“ nennt im Sinne dass man Einstellungen, die das Leben begünstigen und gegen den Tod und Leiden sind, vorschreiben sollte. Da der Begriff „Vorschrift“ recht autoritär scheint, sollte man ihn aber vielleicht durch „Empfehlung“ ersetzen. Diese Philosophie schlägt unter anderem praktische Maßnahmen vor, die in konkreten Situationen umgesetzt werden können. Beispielsweise kann Partei ergriffen werden gegenüber dem Leiden vieler Frauen in einigen muslimischen Ländern, indem man die kleinen Minderheiten in jenen Ländern unterstützt, die gegen diese Art von Praktiken Position beziehen.

Der Taoismus, der viele Ähnlichkeiten mit Hinduismus und Buddhismus aufweist, ist eine weitere Quelle der Inspiration für die ÖDA, unabhängig von der Tiefenökologie. Das zentrale Konzept dieser Philosophie ist die Harmonie mit der Natur im Allgemeinen und mit anderen Lebewesen, andere Menschen miteingeschlossen. Daraus leiten sich alle anderen Konzepte ab: Toleranz gegenüber dem Anderen, Bescheidenheit und frugale Ernährung, Mitfühlsamkeit usw. Anders als alle vorherigen Versionen der Diskursanalyse akzeptiert der Taoismus die Existenz von Konflikten, aber er betont sie nicht, sondern er legt das Schwergewicht auf Versöhnung und Harmonie. So gibt es beispielsweise im Tao Te King eine Reihe von Kapiteln in denen Ideen, dass Konzepte, die in westlicher Sichtweisen (schwarz / weiß, gut / schlecht, recht / hässlich, breit / schmal etc.) antagonistisch sind, sich entlang derselben Achse artikulieren, dass sie sich also angemessen eher mit Bindestrich dargestellen lassen: schwarz-weiß, gut-schlecht, schön-hässlich, breit-schmal usw. Den Gegensatz gibt es auch, aber es ist nicht unbedingt notwendig ihn in der Form zu betonen wie es im Marxismus, der ideologischen Quelle der traditionellen Diskursanalyse geschieht. In Couto (2012) wird der Versuch unternommen, die Prinzipien des Taoimus auf Sprachphänomene anzuwenden. Das zweite Kapitel dieses Buches ist komplett der Erläuterung der Darstellung des taoistischen Ansatzes gewidmet, so dass diejenigen, die sich speziell für dieses Thema interessieren damit beginnen können.

Eng mit dem Taoismus verknüpft ist der Buddhismus, eine Religion, die auf der Grundlage des Hinduismus entstanden ist. Obwohl er bereits vor dem 1. Jahrhundert A.D. in einer Version namens Mahayana nach China kam, hatte er nie viel Einfluss wegen der starken taoistischen und konfuzianischen Traditionen im Geistesleben des chinesischen Volkes. Unter den Prinzipien, die vom Buddhismus vertreten werden, sind unter anderem Gewaltlosigkeit, die Ablehnung von Hass, Brüderlichkeit, Bedürfnislosigkeit, Enthaltsamkeit und das Ideal, das Nirvana, also die Befreiung vom Zyklus der Geburt und des Todes, zu erreichen. Das Fehlen von Wünschen wird als erstrebenswert angesehen, da jeder Wunsch in sich die Idee der Erfüllung birgt. Da diese of nicht möglich ist, sind Wünsche eine potentielle Quelle des Leids.

Auch das Leben von Gandhi beeinflusst die ÖDA. Mohandas Karamchand Gandhi (1969-1948) wurde als Mahatma (ehrwürdiger) Gandhi weltweit bekannt. Aufgrund der Anwesenheit der englischen Kolonialmacht in seinem Land, gründete er die Bewegung des gewaltfreien zivilen Ungehorsams, die eigentlich schon während seines Exils in Südafrika begann. Nach seiner Rückkehr nach Indien im Jahre 1915 organisierte er die Bauern, Kleinbauern und städtischen Arbeiter in Protesten gegen die zu hohen Steuern und die Diskriminierung, deren Opfer sie in ihrem eigenen Land waren. Als politischer Führer seit 1921 startete er eine Kampagne für eine Ausweitung der Frauenrechte und für die friedliche Koexistenz zwischen den verschiedenen religiösen und ethnischen Gruppen. Außerdem versuchte er, die Armut und die Unberührbarkeit zu bekämpfen. Ein wenig später rief er die Bewegung “Quit India” ins Leben. Er führte ein in jeder Hinsicht äußerst bescheidenes Leben, einschließlich Kleidung und Nahrung und mit vielen Fastenperioden. Für  die Engländer war er insofern ein Problem, als es schwierig war, gegen ihn als Befürworter der Gewaltlosigkeit vorzugehen. Man sieht also, dass sein Leben ein interessantes Beispiel für die Philosophie der ÖDA ist.

Schließlich haben wir noch die von James R. Martin (vgl. Martin 2004, 2006) vorgeschlagene Positive Diskursanalyse. Er behauptet, dass die Kritische Diskursanalyse eine wenig konstruktive Facette darstelle, die die Welt immer aus der negativen Perspektive des Konflikts betrachte, selbst wenn sie sie im Hinblick auf Geschlecht, ethnische Herkunft, Klassenunterschiede usw. verbessern möchte. Laut Martin kann man durchaus den Standpunkt einnehmen, dass das Gleiche bewirkt werden kann, wenn man statt des Konflikts die Harmonisierung als Ausgangspunkt nimmt. Seiner Meinung nach würde dies die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Martin stellt gegen Ende seines Buches Long walk to freedom auf zwei Seiten eine detaillierte Analyse der Autobiographie von Nelson Mandela vor. Wie wir wissen, verbrachte Mandela wegen seines Kampfes gegen das Apartheidregime 27 Jahre im Gefängnis und wurde erst im Jahr 1990 entlassen. Von 1994 bis 1999 war er Präsident seines Landes. Trotz der Leiden, die er durchgemacht hatte, zeigte Mandela keine Bitterkeit oder angestaute Gefühle der Rache. Im Gegenteil, verteidigte er die Freiheit nicht nur für seine schwarzen Landsleute, sondern auch für die weißen, denn „Freiheit ist unteilbar.“ Tatsache ist, dass „Mandelas Rhetorik des Engagements“ uns ein Gefühl der Dazugehörigkeit vermittelt und nicht nur eines des Belehrtwerdens. Martin betont zudem „Mandelas Fähigkeit, radikale Werte aus ihren Schablonen zu befreien und so zu entschärfen anstatt sie in Konfrontation münden zu lassen“, was „nicht nur das Ende der Apartheid „impliziert, sondern darüber hinaus auch eine Versöhnung ihrer Agenten.“ Dementsprechend fordert der Autor, dass „wenn die Diskursanalyse ihre Aufgabe, sozialen Wandel zu fördern ernst nehme, sie ihren Radius erweitern müsse und auch Diskurse wie die oben beschriebenen in Betracht zu ziehen hätte, da es sich um „positivere Diskurse“ handelt. In diesem Sinne analysiert Martin, neben vielen anderen, auch die Rede von Bono gegen die Gewalt in Irland, Mark Twains Beitrag über den Krieg der USA gegen die Philippinen und einen humorvollen Text des Kinderbuchautors Raymond Briggs über den Falklandkrieg.

Betrachtet man in synoptischer Form einige der Charakteristika der Diskursanalyse (DA) und der Kritischen Diskursanalyse im Vergleich mit der Ökologischen Diskursanalyse lässt sich folgendes feststellen: Die Kritische Diskursanalyse nähert sich ihrem Objekt von einer politische-ideologischen Basis bzw., wie im Falle der französichen Diskursanalyse, von einer psychoanalytischen. Für die ÖDA steht  hingegen die Frage des Lebens auf der Erde im Vordergrund, die Ökologie, die Teil der Biologie ist. Wenn man also überhaupt von Ideologie sprechen kann, dann ist es die ökologische Ideologie (Ökoideologie) bzw. die Ideologie des Lebens. Sowohl die DA als auch die KDA stehen im Einklang mit der westlichen Philosophie, die den Wettbewerb betont (Marxismus: Konflikt) und die zu Hass, Gewalt und Krieg führen kann. Die ÖDA hat eine stärkere Affinität zu den östlichen Philosophien (Hinduismus, Buddhismus, Taoismus), die die Kooperation betonen, die zu  Harmonie und Liebe führt. Die DA und die KDA gehen vom Standpunkt der Logik aus (from a logical point of view) wie der amerikanische Philosoph Willard Quine betont. Weder lehnen sie die reduktionistische westliche Weltsicht ab, noch kritisieren sie sie. Die ÖDA geht dagegen von einem ökologischen Standpunkt aus (from an ecological point of view) wie er von dem deutschen Ökolinguisten und Sprachphilosophen Peter Finke (1996) formuliert wurde. Diese Perspektive ist umfassend und holistisch, während „Kampf“ westlichen Weltsichten zugehörig ist. Die DA und die KDA haben, mit wenigen Ausnahmen, die Tendenz, die jeweiligen Zustände lediglich zu analysieren und zu kritisieren, wohingegen die ÖDA analysiert und kritisiert, aber auch Verhaltensweisen, die das Leben fördern und Leid vermeiden vorschreibt bzw. empfiehlt. Die DA und die KDA sind humanistisch orientiert, d.h. anthropozentrisch wie der Marxismus, dessen Philosophie hier assimiliert wurde, wie z.B. bei Ramos (2009) zu sehen ist. Dahingegen ist die ÖDA biozentrisch und ökozentrisch wie die Tiefenökologie. Die DA und die KDA kritisieren den Strukturalismus und vor allem die Generative Grammatik. Die ÖDA kritisiert den Strukturalismus, die generative Grammatik und die DA und KDA. Die DA und die KDA beschäftigen sich mit bereits produzierten Diskursen, mit Produkten, was letztendlich auf eine gewisse Vergegenständlichung der Sprache hinausläuft. Die ÖDA als Teil der ökosystemischen Linguistik dagegen konzentriert sich auf den Sprachproduktionsprozess als solchen. In den Worten von Alwin Fill: „Strukturalismus untersucht und beschreibt den Zustand des Wassers beim Staudamm (Synchronie) oder die Entwicklung einer Welle auf dem Fluss (Diachronie), Ökologie betrachtet das Fließen selbst“ (Fill 1993: 5). Daher ist die Ökologie der kommunikativen Interaktion der Kern der ökosystemischen Linguistik und der ÖDA, wie bereits oben gezeigt wurde. Die DA und die KDA widmen sich weitestgehend dem sozialen Ökosystem, bestenfalls dem mentalen, wie zaghaften Einflüsse der Psychoanalyse in einigen französischen Arbeiten zeigen. Die ÖDA berücksichtigt sowohl die soziale als auch die psychische Dimension und darüber hinaus auch die natürliche, womit sie sich der Ökokritik annähert (Couto 2007: 434-442). Sie hat zudem auch die Tendenz, auch die spirituelle Dimension mit in Betracht zu ziehen (Couto 2014).



4. Einige zusätzliche Kategorien der Ökologischen Diskursanalyse (ÖDA) oder Kritischen Ökosystemischen Linguistik (KÖL)

Außer den bereits behandelten Konzepten der ÖDA gibt es noch weitere, die bei der Analyse von Diskursen und Texten durch die ÖDA Berücksichtigung finden können und auch sollten. Beginnen wir mit der Vielfalt. Diese zu akzeptieren impliziert eine Haltung der Toleranz gegenüber dem Anderen, vor allem wenn es unterschiedlich vom Eigenen ist. Die Nicht-Akzeptanz impliziert Intoleranz, die zu Aggression und Gewalt vor allem gegen Minderheiten aller Art führen können. Die Vielfat zu akzeptieren setzt eine Politik der Zusammenarbeit und Harmonie voraus, ein Konzept, das an sich schon  in der biologischen Ökologie vorgesehen ist, und das sich in harmonischen Beziehungen innerhalb und zwischen den verschiedenen Spezies ausdrückt, wie z.B. die Beziehungen zwischen den Menschen und diejenige der Menschen zu anderen Spezies. Das Gegenteil wäre die Unterordnung der Schwächeren unter die Stärkeren, was impliziert, dass letztere den ersteren ihren Willen aufzwingen, was also auf eine Frage der Macht hinausläuft. Dies kann zu Fundamentalismus führen, der, wie wir wissen, oft mit Gewalt einhergeht. Aus diesem Grunde empfiehtl die Tiefenökologie, von der die ÖDA ja stark beinflusst ist, eine Haltung à la Gandhi (eine der Inspirationsquellen der Tiefenökologie), d.h. entschieden, aber nicht gewalttätig. Die ÖDA folgt dieser Linie und respektiert die natürliche, geistige und sozialeVielfalt

Eng verbunden mit der Vielfalt ist die Frage der Interaktion, der Zusammenhänge und Beziehungen. Innerhalb des Ökosystems existiert nichts isoliert, alles ist irgendwie direkt oder indirekt mit allem verbunden. Bedingt durch die Vielfalt von Wesen und Zusammenhängen stellt das Ökosystem selbst eine Kette oder ein Netz von Wechselbeziehungen zwischen Organismen untereinander, zwischen Organismen und ihrer Umwelt etc. dar. Je größer die Vielfalt der Organismen und der Milieus ist, desto mehr Interrelationen weist das Ökosystem auf, da die beiden Konzepte eng miteinander verbunden sind. Die Wechselwirkungen sind eng mit der Harmonie des Ganzen verknüpft, daher der Holismus, da sie innerhalb des Systems wirksam sind. Sie sind multilateral, multipolar und plurizentrisch. Totalitarismus hingegen ist monozentrisch und zentripetal, weshalb es oft zu Konflikten kommt, da er nicht die Vielfalt, die die multilateralen Zusammenhänge nach sich ziehen, akzeptiert.

In der Dynamik der Wechselbeziehungen gibt es neben der Adaption der Organismen untereinander auch eine ständige Anpassung der Organismen an die Umwelt und umgekehrt. Die Anpassung der Milieus an die Organismen war zum phylogenetischen Beginn des Lebens noch relativ gering, hat sich aber ständig intensiviert, vor allem aufgrund der technologischen Entwicklung (eine Adpation, die durchaus in eine Sackgasse führen kann). Die Welt und die Kultur (einschließlich der Sprache) sind dynamisch, ändern sich ständig und passen sich den neuen Situationen, mit denen die Natur (und die Kultur) sie konfrontiert, an. Nichtanpassung bedeutet Widerstand zu leisten, was durchaus zu Disharmonie, Konflikten und Gewalt führen kann, ob gegen andere Menschen oder gegen andere Lebewesen und gegen die Natur im Allgemeinen, wie der aktuelle praktizierte Raubbau zeigt. Die darwinistische Sichtweise stellt den Wettbewerb und das Überleben des Stärkeren in den Vordergrund, aber neuere Forschungen in der Ökologie haben gezeigt, dass Überleben eher eine Funktion flexibler Adpation als eine der Stärke ist. Wenn dem nicht so wäre, könnte das Aussterben der Saurier auch kaum erklärt werden. Anpassung ist der Verusch, in Harmonie mit der Umwelt und mit einander zu leben, ein zentraler Begriff des Taoismus und indirekt auch derTiefenökologie.

Die Anpassung ist eine Seite der Medaille, die andere ist die Evolution. Es ist heutzutage hinreichend bekannt, dass die Evolution zyklisch erfolgt. Alles in der Natur bewegt sich in Zyklen wie z.B. der Wechsel Tag / Nacht, die Jahreszeiten und der biologische Rhythmus unseres Körpers zeigen, aber auch die Kultur, inklusive der Sprache, wird von zyklischen Bewegungen bestimmt. Man braucht nur die Mode zu betrachten. Wie oft haben nicht die Designer die Mode diktiert und uns gesagt, was gerade chic ist und was nicht. Dies fällt ganz besonder auf, wenn man die Mode der 60er oder der 80er mit der heutigen vergleicht. Aber um diese wieder aufleben zu lassen, reicht es, einen Begriff wie z. B. retro kreieren. In Couto (2012: 179-199) sind einige Beispiele für die zyklischen Entwicklungen in der Literatur und in der Sprache vorgestellt. Damit betreten wir den Bereich des Recycling. Er steht in direkter Verbindung mit dem zügellosen kapitalistischen Konsumismus. Nur derjenige recycelt, der weiß, dass der Konsumismus und die Wegwerfgesellschaft schädlich für die Erhaltung des Lebens auf der Erde sind, vor allem auf lange Sicht. Für die Erhaltung des Lebens ist es notwendig, eine nachhaltige Wirtschaft zu praktizieren, die die Ökologie berücksichtigt. Die ökologische Ideologie hat die drei ‘r’ zur Grundlage: Reduzierung, Reutilisierung und Recycling.

Wegwerfen statt Reduzieren, Wiederverwenden oder Recyclen resultiert in Verschwendung und Missbrauch der natürlichen Ressourcen, nicht nur der belebten Natur, die darüber hinaus dadurch auch noch verschmutzt wird. Unsere Eingriffe in die Natur werden mit jedem Tag intensiver und räuberischer. Die Folge davon ist das Leiden vieler Lebewesen. So erfordert z. B. der übermäßige Fleischkonsum die Schlachtung von Hunderttausenden, von Millionen von Tieren. Die extensive Zucht von Fleischrindern, aber auch die von Milchvieh resultiert in der Schaffung von enormen Weideflächen mit nur einer einzigen Art von Gras, z. B. Brachiaria, was in der Regel eine dramatische Reduzierung der Artenvielfalt der Flora und Fauna impliziert. Um letztere zu reduzieren, wie z. B. im Fall von Insekten, greift man auf Pestizide zurück. Der drastische Rückgang einer Insektenart oder sogar ihre völlige Ausrottung hat jedoch weitreichende Effekte auf das Ökosystem, da er auch mit der Vernichtung derjenigen Lebewesen einhergeht, die sich von diesen Insekten ernähren.

Bei einer ganzheitlichen Betrachtung des gesamten Ökosystems stellen wir fest, dass es die Eigenschaft hat, sich mit den benachbarten Ökosystemen auszutauschen, zwischen ihnen ein ständiges Geben und Nehmen von Materie, Energie und Informationen stattfindet. Mit anderen Worten, all dies repräsentiert die Charakteristik der Öffnung, manchmal auch Porosität genannt. Diese Charakteristik des Ökosystems in Kombination mit der Vielfalt, beinhaltet die Toleranz gegenüber anderen Arten, anderen ethnischen Gruppen und stellt sich gegen Ethnozentrismus, Rassismus und andere “Ismen”, wie sie bereits oben erwähnt wurden. Sie lehrt, dass nichts isoliert ist, dass alles sowohl von außen beeinflußt wird als auch seinen Einfüsse nach außen geltend macht. Sie macht uns empfänglich für die Idee des Anderen, auch wenn wir mit ihr nicht übereinstimmen. Sie zu akzeptieren heißt nicht, sie sich zu eigen zu machen, sondern sie zu respektieren.

Die Konzepte ‘richtig’ und ‘falsch’ sind sozial bedingt und dementsprechend relativ. Abgesehen von der Tatsache, dass diese Konzepte in der Natur nicht existieren, variieren sie von Gesellschaft zu Gesellschaft, von einem sozialen Segment zu einem anderen. Zudem ist bereits festgestellt worden, dass, wenn wir das Konzept “falsch” anwenden, es Leid verursacht wie es im vorliegenden Kontext verstanden wird. Das, was kein Leid verursacht, kann also legitimerweise als ‘nicht-falsch’ angesehen werden.

Es gibt verschiedene andere ökologische Konzepte, auf die man in der ÖDA zurückgreifen kann. Dazu gehören die oben genannten harmonischen Beziehungen im Gegensatz zu den disharmonischen Beziehungen, sowohl innerhalb der Spezies als auch zwischen den Spezies. Unter den harmonischen Beziehungen zwischen den Spezies sind die Nachbarschaftlichkeit, der Kommensalismus und die Gegenseitigkeit zu nennen. Hinsichtlich der disharmonischen Beziehungen zwischen den Spezies stechen der Predatismus (Predator vs. Beute) und der Parasitismus hervor. Hier könnte man argumentieren, dass der Predator der Beute Schmerz und Leiden zufügt. Es ist jedoch wahr, dass es sich hier um einen Teil der Nahrungskette handelt. Es ist ein Weg der Natur sich selbst im Gleichgewicht zu halten und Nachhaltigkeit zu sichern.

Bei den intraspezifischen disharmonischen Beziehungen muss vor allem die Konkurrenz, die es natürlich auch bei den Beziehungen zwischen den Spezies gibt, genannt werden. Das, was in der ökosystemischen Linguistik als Kommunion bezeichnet wird (Couto 2012: 69-85) und was gleichzeitig die Voraussetzung für die kommunikative Interaktion ist, fällt unter die harmonischen intraspezifischen Beziehungen. Die Ökologie generell sowie deren philosophische, soziologische usw. Ableger stellen also hinreichend Konzepte für die kritische Analyse von Diskursen und Texten der unterschiedlichsten Provenienz zur Verfügung. Man muss heutzutage keine Angst mehr vor dem Biologismus haben. Die Verwendung der allgemeinen Ökologie als Basis für Kultur- und Sprachwissenschaften bedeutet, die Perspektive des Lebens einzunehmen und es ist ja das Leben, das die Biologie, in der auch die Makroökologie und die Ökolinguistik inkorporiert sind, untersucht.

Wir müssen aber auch gegen die Zerstörung der nicht belebten Natur kämpfen. Wenn man zum Beispiel das Wasser vernachlässigt, kann es schließlich bis zu dem Grad verunreinigt sein, der nicht nur für uns, sondern auch für andere Lebewesen schädlich ist. Es könnte auf diese Weise als Lebensgrundlage völlig verschwinden mit der Folge, dass Leben unmöglich würde. Ebenso müssen wir darauf achten, die Luft nicht exzessiv zu verschmutzen, denn sonst werden wir keinen Sauerstoff zum Atmen zu haben. Wir sollten auch nicht bestimmte Produkte, deren Produktion den Treibhauseffekt verursacht, verwenden, denn andernfalls könnten wir alle sterben, entweder an den Folgen der hohen Temperaturen oder auch an Hautkrebs. Es ist keine apokalyptische Vision, die genüsslich Katastrophenszenarien beschwört, sondern es ist realistisch. Was bisher deutlich zu sehen war, weist in diese Richtung. Warum nicht eine besonnenere Haltung einnehmen?



5. Mini Analyse eines abstrakten Textes

Die Analyse von Texten / Diskursen mit ambientaler, antiambientaler oder pseudoambientaler Thematik birgt keine größeren Probleme. Sie kann aus jeder Perspektive durchgeführt werden, wie oben bereits angedeutet. Auch ein gut informierter Laie kann kritisch über ambientale Texte schreiben. Es ist in der Tat so, dass wenn die Diskursanalyse und die Kritische Diskursanalyse sich mit diesen Fragen beschäftigen, sie dies so tun wie jedes andere Analysemodell auch, was natürlich auch ideologische Aspekte involviert. Die ÖDA kann im Prinzip für die Analyse von jeder Art von Text angewandt werden, nicht nur für die, deren Thema die Umwelt ist, sie scheut nicht einmal vor abstrakten Texten zurück. Ich werde dies im Folgenden am Beispiel eines Syllogismus, einem der abstraktesten sprachlichen Ausdrücke, da er nur logische Beziehungen enthält, zu zeigen versuchen. Der hier verwendete Syllogismus ist Teil der aristotelischen Tradition.



Jeder Mensch ist sterblich.

Sokrates ist ein Mensch

Also ist Sokrates sterblich.



Das „Thema“ des Syllogismus ist der Tod. Dies hat jedoch auch direkt mit dem Leben zu tun, da das eine nur mit dem anderen existieren kann. Wenn wir über das Leben sprechen, sprechen wir implizit auch über den Tod, da nur Lebewesen sterben. Damit nähern wir uns bereits der ökologischen Weltsicht, denn das Leben wird von der Biologie untersucht, von der die Ökologie ein Teil ist. Definiert wird ein  Syllogismus als ein strukturierter deduktiver Schluss, bestehend aus zwei Prämissen durch die man durch Inferenz notwendigerweise zu einer Konklusion gelangt.

Nach den Logiklehrbüchern beschreibt ein Syllogismus nichts, sondern er gibt nur formale logische Beziehungen wieder. Betrachten wir nun die lexikalischen Bestandteile des Syllogismus, also Mensch, Sokrates und sterblich. Die ersten beiden beziehen sich auf etwas in der natürlichen Welt existierendes, während der dritte sich auf eine ihm inhärente Qualität oder Eigenschaft bezieht. Auf diese Tatsache wurde bereits von Russell (1982: 56-57) mit Bezug auf Parmenides hingewiesen. Diese drei Säulen des Arguments finden wir also unmittelbar in der natürlichen Welt. Ohne sie gäbe es keine Möglichkeit der logischen Verbindung. Wie bereits die Denker von Port-Royal gezeigt haben, gibt es also nur logische Verbindungen zwischen realen Entitäten in der realen Welt. Ohne diese Verbindungen mit der realen Welt (Referenz, Bedeutung), wäre der Syllogismus unverständlich.

Ein Syllogismus besteht aus drei Aussagesätzen. Wie einige Linguisten und Sprachphilosophen gezeigt haben, ist jede affirmative Aussage eine Antwort auf eine Frage, selbst wenn diese nicht explizit formuliert wird. (Maas 1973: 155). In diesem Fall sind die Aussagen alle Menschen sind sterblich, Sokrates ist ein Mensch und Sokrates ist sterblich implizit sicherlich als Antworten auf philosophische Fragen zu werten, ungefähr in der Form: Ist jeder Mensch sterblich?, Ist Sokrates ein Mensch? und Ist Sokrates sterblich? Das heißt, die Aussagen des Syllogismus sind indirekt mit dem Kern der Ökosystemischen Linguistik und der ÖDA verbunden, die die Ökologie der kommunikativen Interaktion ist. Es handelt sich hier um etwas den Sprichwörtern Vergleichbares. Die Paremiologen haben gezeigt, dass Minitexte wie Steter Tropfen höhlt den Stein in einer konkreten kommunikativen Interaktion, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit stattgefunden hat, geäußert worden sein müssen. In diesem Fall war es die Antwort auf die möglicherweise unausgesprochene Frage: Was macht der stete Tropfen mit dem Stein?

Wie bei den Sprichwörtern wurde der Text des Syllogismus mit Sicherheit im alten Griechenland von einem Sprecher für einen Hörer irgendwo produziert. Das heißt, bei  diesem ersten Mal war er Teil einer konkreten kommunikativen Interaktion innerhalb eines bestimmten Szenarios. Leider können wir die Ökologie der kommunikative Interaktion, in der er geäußert wurde, nicht wiederherstellen. Wir können nur ableiten, dass sie existiert haben muss, weil diese „Äußerung“ im Laufe der Geschichte immer wieder wiederholt wurde. Das heißt, dass es eine erste Wiederholung gegeben haben muss, einen Moment, der zeitlich nach der ersten Äußerung zu verorten ist. Da die historische Dimension von beträchtlicher Wichtigkeit ist, mach es Sinne, auf den bereits erwähnten Text von Bertrand Russel zurückzukommen.

Die logischen Verknüpfungen können auch als Inklusionsbeziehungen interpretiert werden. Sokrates ist ein Lebewesen, das zur Klasse der Menschen gehört. Letztere wiederum gehören zu der Klasse von Lebewesen, deren Eigenschaft es ist, sterblich zu sein. Inklusionsbeziehungen existieren jedoch in der Natur unabhängig von einem Beobachter. Couto (2007: 140) verweist zur Illustration auf den Kern innerhalb einer Frucht. Er ist da, ohne dass jemand ihn dort hingetan hätte, ihn beobachten würde oder ihn diskursiv geschaffen hätte. Es handelt sich hier um eine der einfachsten Beziehungen überhaupt, eine Relation par excellence. Sie ist so fundamental, dass die Präpositionen in / innerhalb mithilfe derer sie kodiert wird in allen Sprachen der Welt existieren und sie sind mit die Ersten, die von Kindern erworben werden. Das heißt, selbst  die logischen Beziehungen, haben einen Bezug zur natürlichen Welt, in der sich das Drama des Lebens entfaltet.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Interpretation der ÖDA und derjenigen der Diskursanalyse und der Kritischen Diskursanalyse ist der des ersten Teils der Ökologie, der kommunikativen Interaktion als ein Ganzes und nicht nur als das Produkt dieser Interaktion. Dieses Produkt wird als die Materialisation des Diskurses in der Form von Text gesehen. Als Teilbereich der Ökosystemischen Linguistik ist der Ausgangspunkt der ÖDA nicht das Produkt, das ja im Grunde genommen nur ein „Ding“ ist, sondern der Prozess seiner Produktion. Es scheint uns wichtig zu wiederholen, dass es bei dem vorangegangenen Entwurf einer Analyse nicht nötig war, Bezug auf irgendeine Ideologie – außer der des Lebens –  zu nehmen.



6. Fazit und Ausblick

Es scheint, dass es eigentlich unnötig ist, ein weiteres Modell der Diskursanalyse vorzuschlagen, da es bereits genügend gibt, die zudem auch noch oft in Konkurrenz zueinander stehen. Wie schon mit Bezug auf das Thema des Funktionalismus in der Linguistik gesagt worden ist, handelt es sich um ein Konglomerat von Theorien, deren einzige Gemeinsamkeit die Opposition zur päpstlichen Lehrmeinung ist. Sprich: zum Strukturalismus und vor allem zu Generativismus. Wir sind jedoch der Überzeugung, dass die ÖDA neue Ideen in die Diskursanalyse einbringt, unabhängig von parteipolitischen religiösen etc. Ideologien, obwohl sie diese durchaus mit einschließen kann. Die ÖDA hat als Ausgangspunkt die Bioideologie bzw. die Ökoideologie. Wie bereits mehrfach betont wurde, bezieht sich die traditionelle Diskursanalyse direkt oder indirekt auf die marxistische Ideologie. Nun ist diese Ideologie einer der schlimmsten Teile des Marxismus. Verschiedene andere Kategorien des dialektischen Materialismus lassen sich problemlos in die ökologische Weltsicht, wie sie hier skizziert, wurde integrieren. Unter diesen sind vor allem die Totalität, die an den ökologischen Holismus erinnert und die Dialektik, die der ökologischen Wechselwirkung ähnelt, zu nennen.

Es gibt grundsätzlich zwei Arten von gültigen wissenschaftlichen Studien. Die erste ist die, die neue Daten hervorbringt, zum Beispiel, wenn die Physik einen neuen Himmelskörper, einen neuen Planeten, eine neue Galaxie entdeckt. Leider ist es in den Geisteswissenschaften nicht immer möglich, neue Tatsachen zu entdecken, vor allem solche wissenschaftlicher Art. Aber es ist möglich, neue Interpretationen bereits bekannter Tatsachen vorzustellen, selbst wenn diese bereits auf der Grundlage anderer theoretischer Modelle gedeutet worden sind. Wenn die neue Interpretation interessanter ist als die vorherigen, kann das theoretische Modell als gültig betrachtet werden. Andernfalls kann es vergeworfen werden. Wir sind davon überzeugt, dass die ÖDA neue Einsichten für die gängige Diskursanalyse bringen kann. Es kann allerdings auch vorkommen, dass dies nicht eintritt, d.h., dass sie nicht akzeptiert wird und / oder als nicht gültig angesehen wird, aber Tatsache ist, dass eine Diskursanalyse, die von einer ökologischen Weltsicht ausgeht, bisher nicht vorgeschlagen wurde.

Letztendlich sind viele traditionelle Untersuchungen der Diskursanalyse nur insofern ökologisch als ihr Gegenstand (Ontologie) Umweltdiskurse sind, z. B. im Falle eines Anhängers der Diskursanalyse oder der Kritischen Diskursanalyse, der den Text einer umweltverschmutzenden Firma kritisiert um als ökologisch korrekt zu gelten. Die Kritische Ökolinguistik geht hier weiter, indem sie sich speziell dieser Art von Texten unter Zuhilfenahme ökologischer Kategorien als Metaphern nähert. Daher ist sie sowohl ontologisch als auch epistemologisch ökologisch. Die ÖDA bewertet jede Art von Text, einschließlich ökologischer Texte, unter Verwendung von ökologischen Konzepten nicht nur als Metaphern, sondenr aus der Ökologie heraus. Weil sie interaktional ist, kann sie in dialektischer Form von der Theorie zum Objekt und vom Objekt zur Theorie zu gehen. Im Gegensatz zu Saussures Auffassung, dass die Sichtweise das Objekt der Linguistik schafft, kann in der Ökosystemischen Linguistik und in der Ökosystemischen Diskursanalyse der Untersuchungsgegenstand selbst die geeignetste Methode nahelegen. Mit anderen Worten: Die ÖDA ist hinsichtlich der Ontologie, der Epistemologie und der Methodologie ökologisch.



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Aus dem Portugieschen von Theo Harden übersetzt.